Interview zu Infrarotheizungen

IR-Heizung für E-Betriebe

Energie
21.10.2024
6 Minuten
Im Interview mit watts up-Content-Editor Sascha Brakmüller spricht Dirk Bornhorst, 2. Vorsitzender IG Infrarot Deutschland e.V. über Infrarotheizungen und warum es aktuell für das Elektro-Handwerk sehr sinnvoll ist, sich mit dieser Technologie zu befassen.

Sascha Brakmüller: Dirk, bitte stelle dich und die IG Infrarot zu Beginn doch selbst einmal kurz vor?

Dirk Bornhorst: Sehr gerne. Die IG Infrarot ist ein Herstellerverband und hat ebenfalls verschiedene Mitglieder im Bereich der Infrarotheizungsbranche, also auch Energieberater, Elektro-Installateure, Ingenieurbüros, und vertritt die Interessen, die Infrarotheizung als Lösung zu positionieren, über die Technik aufzuklären und weiter im Markt zu etablieren.

Ich selber bin Wirtschaftsingenieur Maschinenbau/Elektrotechnik mit Fokus auf Erneuerbare Energietechnik und bin durch ein Forschungsprojekt, das wir 2018/2019 an der HTWG in Konstanz (Anmerk. der Red.: HTWG – Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung) durchgeführt haben, zu der Branche gekommen. Dabei hatten wir uns sehr intensiv mit dem Thema Infrarotheizung befasst. Später hatte ich mich dann mit einem Planungsbüro für solche Projekte selbstständig gemacht und kam so auch mit dem Branchenverband IG Infrarot in Kontakt. Dort habe ich mich dann engagiert und bin so auch irgendwann in den Vorstand gekommen. Aktuell bin ich 2. Vorsitzender des IG Infrarot Deutschland e.V.

Sascha Brakmüller: Dirk, Heiztechnik ist vielleicht nicht unbedingt die Kernkompetenz von jedem Elektriker. Vielleicht magst Du mal skizzieren, was die Vorteile von Infrarot-Heizungen sind und welche Möglichkeiten sie grundsätzlich bieten?

Dirk Bornhorst: Grundsätzlich basieren Infrarotheizungen auf dem Thema der Strahlungswärme im Gegensatz zu Elektro-Konvektionsheizungen, die durch warme Luft und durch Konvektion arbeiten. Bei der Infrarotheizung ist es so, dass die Oberflächen, aber auch die Gegenstände oder die Personen direkt erwärmt werden. Das kann man sich vorstellen, wie früher beim Kachelofen. Der Kachelofen hat eine sehr ähnliche Oberflächentemperatur wie eine elektrische Infrarotheizung. Diesen Kachelofen-Wärmeeffekt kennt vielleicht der ein oder andere aus eigener Erfahrung. Es ist einfach eine sehr angenehme Wärme. Es gibt fast keine Heizungsluft. Die Luft wird deutlich weniger ausgetrocknet und verwirbelt, was auch für Allergiker sehr vorteilhaft ist. Somit kann man Infrarotheizungen als moderne Kachelofenwärme bezeichnen. Heutige Niedertemperatur-Infrarotheizungen haben Oberflächentemperaturen irgendwo zwischen 80 und 190 °C und sind dadurch deutlich angenehmer als diese Intensität, die man vielleicht von einem Terrassenstrahler im Außenbereich her kennt. Das führt dazu, dass die Oberflächen des gesamten Raumes deutlich homogener aufgewärmt werden. Also auch der Fußboden wird warm, die Wandflächen werden warm. Und somit ist es eine sehr angenehme, komfortable Wärme.

Sascha Brakmüller: Gerade für die Elektro-Handwerke bieten Infrarotheizungen eine spannende Technologie. Warum passt das so gut?

Dirk Bornhorst: Also der klare Vorteil für den Elektroinstallateur ist natürlich, dass das Gewerk Heizung plötzlich auch in der Elektrotechnik bzw. beim Elektroinstallateur angesiedelt ist. Das bedeutet, dass man im Neubau mit Unterstützung der Energieberater ein komplettes elektrisches Heizungssystem herstellen kann. Konkret heißt das auf der Baustelle, die Lampe kommt dahin, die Infrarotheizung kommt nebendran. Und somit ist das komplette Gewerk Heizung, mit Ausnahme des Warmwassers im Bereich Sanitär, komplett beim Elektroinstallateur. Das ist ein riesengroßer Vorteil! Einmal von der Vereinfachung, aber auch von den Bauzeiten, die deutlich verkürzt werden. Für den Elektroinstallateur ist das natürlich auch noch ein zusätzlicher Umsatz, der da gemacht werden kann. Und alles aus einer Hand.

Sascha Brakmüller: Alles aus einer Hand bietet gerade bei vernetzten Systemen Vorteile. Die Gebäudetechnik verzahnt sich immer mehr. Wenn ich jetzt Photovoltaik und auch Speichersysteme mit dazu nehme, wie passen Infrarotheizgeräte in ein Gesamtsystem?

Dirk Bornhorst: Der Vorteil ist: In Zukunft wird alles elektrisch. Die Frage ist dann: Muss man die Wärme über ein wassergeführtes Heizungssystem schicken? Und da geben wir ganz klar im Neubau immer die Empfehlung, mach das Dach mit PV voll, geh danach in die Fassaden mit der Photovoltaik und spar dir das Geld für die Fußbodenheizung, für die ganzen Rohrleitungen, die da hineingelegt werden müssen, für das Außenaggregat der Wärmepumpe. Sondern setze im Neubau auf ein rein solarelektrisches Gebäude, wo wir möglichst viel Photovoltaik mit hineinbringen. Auch ein Batteriespeicher hat Vorteile für das Gesamtsystem. Investiere das Geld in die Erneuerbaren und nicht in komplexe und träge Heizungstechnik.

Montagebeispiel Deckeninstallation von Infrarotheizungen. Quelle: IG Infrarot Deutschland

Sascha Brakmüller: Das Stichwort ist dabei auch Eigenstromnutzung, oder?

Dirk Bornhorst: Absolut, z.B. kann man zeigen, dass die Fassadenphotovoltaik gerade im Winter – also genau dann, wenn wir die Wärme brauchen – deutlich höhere Erträge hat im Vergleich zum Dach. Spannend ist z.B. der Vergleich von einem Ost/West-ausgerichteten Dach zu einer süd-senkrechten Fassadenanlage. Da ist die Fassadenanlage, wenn es drauf ankommt, im Dezember und Januar, mit einem doppelt so hohen Ertrag zu sehen, wie bei einer klassischen Ost/West-Dachanlage.

Sascha Brakmüller: Okay, spannend. Infrarot wird auch gerne mal als Technologie zur Spitzenlast oder für ein Hybridsystem gesehen, aber im Prinzip spricht gerade beim Neubau nichts dagegen, es als Primärsystem einzusetzen?

Dirk Bornhorst: Genau, im Bestandsgebäude ist es natürlich bei einer Modernisierung interessant, das vorhandene wassergeführte Heizungssystem z.B. dann über eine sehr kleine Wärmepumpe für die Grundlast weiter zu nutzen. Dabei spielt dann auch Smarthome-Gebäudetechnik eine große Rolle, um die Systeme möglichst effizient zu steuern. Man kann versuchen ein träges konventionelles Heizungssystem mit Smarthome-Technik zu digitalisieren. Aber mit einer schnell reagierenden Infrarotheizung hat man potenziell schon ein digitales Heizsystem. Und das ist ein Gamechanger auch für die Elektroinstallateure und die gesamte Smarthome-Branche.

Sascha Brakmüller: Die Auslegung von Heizsystemen ist in Normen geregelt; wie läuft das dann bei Infrarotheizungen? Worauf muss man als Elektriker dabei achten?

Dirk Bornhorst: Mit Blick auf die Auslegung der Systeme ist der Elektroinstallateur natürlich nicht alleine. Im vorgelagerten Sinne berechnet meist der Energieberater den Energiebedarf nach DIN V 18599. Aber Elektroinstallateure können die Planung der Infrarot-Heizung auch einfach selbst auslegen. Da empfehlen wir auch im Verband immer, sich an die DIN EN 12831, was die Heizlastauslegung angeht, zu halten. Bei den raumweisen Heizlastberechnungen kommt für einen Raum beispielsweise Anforderungen von 700 W heraus. Dann wird dort eine dementsprechend dimensionierte Infrarotheizung verwendet. Sind Räume größer als 16-20 qm oder die erforderlichen Leistungen höher, gibt es mehrere Infrarotheizungen. Und gut ist.

Kombiniert wird das dann mit einer beliebigen Steuerung. Das kann ein KNX-System sein; das können gängige andere Systeme sein, die einfach über die digitalen Thermostate und über die Schalt-Relais meistens in der Unterverteilung dann agieren.

Sascha Brakmüller: Wir haben jetzt viel über technische Sachen gesprochen, vielleicht gehen wir mal auf den politischen Rahmen über. Wie sieht es bei den Stromdirektheizungen im Bereich des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) aus? Wann dürfen Infrarotheizungen genutzt werden?

Dirk Bornhorst: Eine Infrarotheizung ist im Moment noch als Stromdirektheizung definiert und ist als solche im GEG verankert. Da sind wir auch sehr froh, dass mit dem GEG 2024 hier unter Paragraph 71d auch die Stromdirektheizung ihren Platz – sogar ganz genau beschrieben – gefunden hat. Dort steht z.B., dass man das 65 %-Ziel mit einer Stromdirektheizung erreichen kann. Das hat den Hintergrund, dass man politisch auch ein bisschen in die Zukunft geschaut hat und aktuell mit 57 % Erneuerbaren im Stromnetz auch nicht mehr so weit von den 65 % entfernt ist.

Bei selbstgenutzten Ein- und Zweifamilienhäusern in der Errichtung und im Bestand, wo wir ja einige Millionen in Deutschland davon haben, können wir eine Stromdirektheizung einbauen, ohne dass wir großartig auf einen Wärmeschutz achten müssen. Wenn das Gebäude nicht selbst vom Eigentümer bewohnt wird, oder bei größeren Vermietungen muss der Wärmeschutz auf 45 % oder besser gebracht werden, sofern eine wassergeführte Heizung vorhanden ist. Ist keine vorhanden, muss der Wärmeschutz 30 % besser sein als das Referenzgebäude – und das ist im Bestand eine ziemlich tiefgreifende Sanierung.

Sonst gibt es ebenfalls die Möglichkeit, auf ein Hybridsystem zu gehen, so dass man eine Wärmepumpe mit mindestens 30 % der Heizlast laufen lässt. Nach GEG sind wir dann im Bereich Hybridsystem unterwegs und dann darf auch in einem nicht so gut energetisch sanierten Gebäude ein Hybridsystem eingebaut werden. Wer das alles grafisch nochmal besser durchblicken möchte, dem sei die GEG-Übersicht vom BDEW empfohlen. (Anmerk. der Red.: https://www.bdew.de/media/documents/BDEW-Flyer-GEG-Entscheidungsmatrix_August_2024_bZFUfCu.pdf)

Sascha Brakmüller: Wenn wir auf die Kostenstruktur bei Infrarotheizsystemen sehen – vielleicht in Relation zu Wärmepumpen –, wo liegen wir dort?

Dirk Bornhorst: Ich würde es nicht nur im Verhältnis zur Wärmepumpe sondern im Verhältnis zum gesamten wassergeführten Heizungssystem sehen: Wenn Du die Wärmeübergabe, Verteilung und so weiter komplett mit reinnimmst. Sprich Fußbodenheizung oder auch Radiator-Heizungssystem. Dann kann man im Neubau ggf. von 50 % bis 70 % Einsparungen bei den Investitionskosten sprechen. Je nachdem, was für ein System es ist. Investiert man dieses eingesparte Geld in die Erneuerbaren, wird es nicht nur ein ökologisches sondern auch ökonomisch sehr viel sinnvolleres Projekt.

Sascha Brakmüller: Dabei darf man wahrscheinlich über den gesamten Lebenszyklus auch nicht außer Acht lassen, dass elektrische Heizsysteme nicht so viele bewegliche Teile haben und dementsprechend der Verschleiß geringer ist. Das sollte sich doch positiv auf die Lebensdauer auswirken? Oder wie schätzt Du das ein, Dirk?

Dirk Bornhorst: Also das einzig Bewegliche in so einem Infrarotheizungssystem ist nachher das Relais und das brauche ich Elektroinstallateuren nicht zu erklären, wie Sie das einzusetzen haben, dass das langlebig funktioniert. Deswegen sprechen wir nicht ganz von wartungsfreien, aber von sehr wartungsarmen Systemen.

Installation von Infrarotheizungen im Wohnzimmer. Quelle: IG Infrarot Deutschland

Sascha Brakmüller: Wo wir im Prinzip schon beim Thema sind. Wie sieht es denn mit der Praxistauglichkeit aus? Infrarotheizungen gibt es schon eine gewisse Zeit und dementsprechend einige Studien und viele Referenzen.

Dirk Bornhorst: Als IG Infrarot sehen wir uns natürlich auch als Plattform, um auf der einen Seite solche Studien zu organisieren. Auf der anderen Seite ebenfalls Referenzgebäude zu akquirieren, die wir dann nachher auch ins Monitoring mit rüber nehmen. Jeder Hersteller hat dabei natürlich seinen eigenen Pool an Referenzen. Dabei bilden diese Referenzen dann auch die unterschiedlichen Einsatzzwecke von Infrarotheizungen ab. Wir haben eben schon viel darüber gesprochen: also Infrarot-Systeme im Neubau, im Bestandsgebäuden, in sanierten Bestandsgebäude, auch eben Hydridsysteme mit anderen Wärmeerzeugern oder ebenfalls ganz anderer Gebäudetechnik, wie zum Beispiel der Lüftungsanlage, um das auch noch mal zu erwähnen.

Sascha Brakmüller: Es kann also herausgestellt werden, dass es keine neue, sondern eine sehr bewährte Technik ist, die auch vielfach schon eingebaut wurde, bei der es auch die Erfahrungswerte und die Referenzen gibt. Wie lange wird Infrarot eigentlich schon eingesetzt?

Dirk Bornhorst: Oh, wir streiten uns immer so ein wenig darüber. Aber wir können es vielleicht einfach an den Jubiläen der Hersteller festmachen: Da wurden jetzt teilweise schon 25 Jahre gefeiert.

Sascha Brakmüller: Dirk, wo könnte denn die Reise bei den Infrarot-Heizungen hingehen? Traust Du dir eine Prognose vielleicht für die nächsten fünf Jahre zu?

Dirk Bornhorst: Jetzt kommt eine persönliche Meinung, also bitte nicht festnageln. (Anmerk. der Red.: Dirk lacht). In fünf Jahren gehen ich von 5 % Marktanteil aus, was die Heizungssysteme angeht. Also nicht die Stückzahl, sondern wirklich die Heizungssysteme. In 20 Jahren, so ist meine persönliche Einschätzung, dass wir so bei 20 % Marktanteil liegen, was die Systeme angeht – ob jetzt alleiniges Heizungssystem vor allem im Neubau oder eben in Kombination mit einer kleinen Grundlastwärmepumpe.

Sascha Brakmüller: Auf alle Gebäude gesehen, ist das ja ein großes Marktpotenzial! Zum Abschluss noch eine letzte Frage: Es gibt bestimmt den einen oder anderen Elektro-Betrieb, der sich jetzt weiter informieren möchte. Wo bekommt man weitere Informationen zu Infrarotheizungen her, wie kann man Fachmann oder -partner werden?

Dirk Bornhorst: Wir freuen uns natürlich über jeden Mitgliedsantrag! Wir haben zum Beispiel den Infrarotheizungsleitfaden vor ein paar Jahren erstellt, den man einfach auf der IG Infrarot Deutschland Webseite unter ig-infrarot.de herunterladen kann. Dort findet man außerdem alle Studien, die wir an verschiedenen Instituten und Universitäten durchgeführt haben. Gerade die TU Dresden ist dabei ein sehr renommiertes Forschungsinstitut im Bereich Heizungstechnik und vor allem auch bei der Regelungstechnik sehr tief im Thema. Es gibt jetzt ganz aktuell auch den Abschlussbericht zu einem Forschungsprojekt des Fraunhofer IBP (www.ibp.fraunhofer.de) in Holzkirchen, bei dem ein Zwillingshausversuch gemacht worden ist. Dabei hat das mit Infrarotheizungen ausgestattete Gebäude 32 % weniger Endenergie benötigt, als das mit Gas-Brennwerttherme und Radiatoren bei identischem Komfort.

Sascha Brakmüller: Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Hör es dir an! In unserem Podcast.

Das ausführliche Interview mit Dirk Bornhorst mit vielen weiteren spannenden Gesichtpunkten findest Du bei unserem Medien-Partner der E-Show als Podcast:

#50 DIRK BORNHORST: WELCHES POTENZIAL HABEN INFRAROT-HEIZSYSTEME?

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