
watts up: Steven, vielleicht zu Beginn, welche Tätigkeitsschwerpunkte hat dein Handwerksbetrieb?
Steven Pakasathanan: Die Fokusthemen sind Ladeinfrastruktur, das war eines der ersten Themen, worauf ich mich konzentriert hatte. Das zweite Fokusthema ist Smart Home. Das war eigentlich mein erstes Fokusthema, aber das hatte sich schwieriger gestaltet, weil es viel beratungsintensiver ist und die Kunden im deutschen Markt – Thema Digitalisierung – doch ein wenig schwieriger zu überzeugen sind. Deswegen kam dann das Thema Ladeinfrastruktur. Natürlich angestoßen durch die Politik, aber auch durch die Automobilindustrie. Und die dritte Sparte ist die klassische Elektroinstallation.
Steven: Social Media war für mich kein Kanal, den ich aufgebaut habe, rein aus monetärer Sicht. Nicht weil ich gesagt habe, ich möchte dadurch Kunden begeistern. Es ist natürlich ein Doppel-Effekt, dass Kunden eine gewisse Transparenz dadurch erhalten, wie wir arbeiten, und natürlich dann auch, wenn andere Elektrobetriebe bestätigen, dass die Arbeit gut ist.
Mir ging es aber vielmehr darum, die Lösungen an die Elektrobetriebe und jungen Menschen heranzutragen. Wenn man jetzt in einem Betrieb arbeitet, und dort das Thema Smart Home gar nicht ansässig ist, dann ist die Frage: Wie bekommt der zukünftige Elektriker mit, dass es diese Technologien gibt? Wir sind halt auch als E-Handwerk die Botschafter für die Kunden. Und wenn wir die Botschafter nicht stark machen und nicht da abholen, was die Technik ist und was die Technik kann, dann kriegen wir auch den Wandel beim Kunden nicht hin.
watts up: Du nutzt Instagram oder Social Media in gewisser Weise oft für Lehrvideos, um zu zeigen: „Hey, so funktioniert es, diese Fehler habe ich damals gemacht, mach die Fehler nicht nochmal.“ Wie ist es dazu gekommen?
Steven: Wir haben im Betrieb auch Azubis, denen man immer was erklärt und dadurch, dass die Elektroinstallation sehr vielseitig ist, ging dieses Wissen, wenn man es nicht ständig anwenden muss, auch wieder schnell verloren. Und da hatten wir erstmal mit einer Dropbox gearbeitet. Dort dann versucht, anhand von Word-Dokumenten und Videos gewisse Sachen festzuhalten. Dann war es aber trotzdem so, dass viele Leute sich das bei uns intern nicht angeschaut haben. Man muss ja dann erst die Dropbox aufrufen und durch die Ordnerstruktur klicken usw. Ich habe mir dann die Frage gestellt, was die junge Generation heutzutage nutzt. Es war natürlich Instagram oder TikTok, und so kam dann die Idee, wir posten das einfach auf Insta. Dann folgt einfach diesem Kanal und dort findet ihr auch relativ schnell die Videos.
watts up: Mittlerweile ist es deutlich mehr als eine Videoplattform für eure Azubis. Du hast allein bei Instagram ca. 40.000 Follower. Ich glaube, plattformübergreifend um die 80.000. Und es findet ein fachlicher Austausch statt. Wie siehst du diese Community, die sich dort entwickelt hat?
Steven: Also das ist wahnsinnig, dass das überhaupt so entstanden ist. Mittlerweile, glaube ich, sind es irgendwie an die 500 bis 600 Videos, die ich schon geteilt habe. Und dabei war mir auch sehr wichtig, meinem eigenen Ich treu zu bleiben. Mir war es nicht wichtig, meine Follower-Zahl mit irgendwelchen lustigen Videos zu steigern. Es ging darum, einen Wissenstransfer zu ermöglichen. Fachlich, genau, richtig.
watts up: Du teilst dort auch, wenn Dinge nicht so laufen, wie sie sollen. Auch in bürokratischen Dingen. Da hattest Du auch negative Erfahrungen gemacht, oder?
Steven: Man wird ja eigentlich Handwerker, weil man das Handwerk liebt, und man unterschätzt das oft, wie viel Arbeit an Papier und Bürokratie da noch dahintersteht. Ganz aktuell habe ich gerade nochmals in den Nachrichten gelesen, dass jetzt die Bürokratie abgebaut werden soll, und da kam noch mal die Statistik, dass, glaube ich, ein Handwerksbetrieb knapp 35 % seiner eigentlichen Arbeitszeit nur mit Bürokratie zu tun hat. Und die Bürokratie steckt nicht nur im Angebotsschreiben, sondern auch bei der Dokumentation der eigenen Arbeit. Und das ist etwas, was uns natürlich auch hemmt und blockiert, wenn es zu aufwändig wird.
Da hatte ich auch Unwissenheit, wie man gewisse Sachen rechtskonform macht. Das heißt, mir war zum Beispiel gar nicht bewusst, dass in dem Moment der Installation, wenn ich etwas fest bei einem Kunden montiere, schon eine Eigentumsübertragung stattfindet. Egal, ob der Kunde bezahlt hat oder nicht. Und wenn ich dann das Ding zum Beispiel abbaue, weil der Kunde nicht bezahlt hat, dann ist das Vandalismus. Das ist halt Deutschland. Da muss man erstmal ins Fettnäpfchen treten, um herauszufinden, dass das so ist.
Wir kommunizieren auch sehr viel über WhatsApp. Nicht nur intern, sondern auch mit Kunden. Bei mir ging dann auch ein Fall vor Gericht, bei dem es um 70.000 € ging. Der Richter sagte, WhatsApp sei ein Kommunikationstool, aber kein Tool, rechtssichere Dokumente und Verträge damit auszuhandeln und festzuhalten.
Ich ging davon aus, wenn mir jemand schreibt, ich brauche hier fünf Steckdosen, dass das dann auch schriftlich beauftragt worden ist, bis man dann natürlich auf Granit gebissen hat und feststellen musste, dass das nicht so war.
watts up: Ich glaube, in der Praxis nutzen viele solche Kommunikationstools. Aber dich zeichnet aus, glaube ich, dass Du daraus lernst und eine Lösung findest? Wie bist Du damit umgegangen? Und ich glaube, da ist ja noch ein bisschen mehr entstanden, als einfach nur eine praktikable Lösung für deinen Betrieb?
Steven: Absolut. Also erstmal habe ich dann intensiver darüber nachgedacht, dass dieses Problem wahrscheinlich dann nur die Spitze des Eisbergs ist. Wir müssen einfach immer nachvollziehen können, was haben wir eigentlich damals vereinbart. Und das kann aber ja auch intern passieren, indem man intern Werkzeuge seinen Mitarbeitern überträgt, was dann auch mal verschwinden kann.
Es gibt natürlich Vorlagen in Word und PDF oder diese Durchschlagsblätter, die ja immer noch in Deutschland verwendet werden. Aber auch da hat man nicht für jeden expliziten Fall etwas zur Verfügung – ob es eine Schlüsselübergabe ist oder beispielsweise eine Zusatzbeauftragung.
Deswegen war für mich dann wichtig, dass man sich mehr als nur die Spitze des Eisbergs anschaut. Mir war schnell klar, ich brauche Dokumente, die ich sofort aufrufen, schnell ausfüllen, effizient gestalten kann und die idealerweise digital unterzeichnet werden können. Ich muss sie dem Mitarbeiter oder extern z.B. dem Kunden zur Verfügung stellen können. Dabei müssen diese geregelten Dinge auch direkt per Fotos, Videos und Text festgehalten werden können. Das war dann die Grundidee, wie ich mir das vorgestellt hatte. Dann habe ich mich auf die Suche begeben und keine Lösung auf dem Markt gefunden. So ist dann im Endeffekt die Idee zum Start-up ProtocolHero entstanden.
watts up: Was ist denn genau ProtocolHero und wie hilft es bei der Dokumentation?
Steven: Es ist eine Softwarelösung, die sogar handwerksübergreifend funktioniert – also nicht nur für Elektriker. Aber jetzt im ersten Step ging es mir natürlich darum, die Probleme des Elektrohandwerks zu lösen. Deswegen sind wir da sehr zugeschnitten. Aber wir haben auch schon Kunden im Bereich Sanitär oder Malerbetriebe. Das heißt, wir haben vor wenigen Wochen die Lösung auf den Markt gebracht und schon jetzt über 400 Betriebe gewonnen. Damit hätten wir natürlich niemals gerechnet.
Wir sind mittlerweile beim Start-up ProtocolHero sechs Mitarbeiter; sehr wahrscheinlich schon bald acht. Das heißt, wir wachsen gerade auch sehr gut, weil wir natürlich durch diese große Marktakzeptanz auch teamtechnisch aufbauen müssen. Aber im Endeffekt geht es darum, dass wir Prozesse im Bereich der Dokumentation vereinfachen, so wie schon vorher beschrieben. Dabei arbeiten wir mit vielen Vorlagen, die man direkt auf einem Smartphone oder iPad aufrufen kann: Ob das jetzt eine Schlüsselübergabe, eine Bauabnahme oder aber ein Prüfprotokoll für die Installation einer Ladeinfrastruktur ist. Und darüber hinaus unterstützt KI bei der Dokumentation.
watts up: Okay, wie läuft das in der Praxis genau ab, wenn ich als Installateur einen Einsatz habe?
Steven: Es gibt ja unterschiedliche Aufgaben, aber nehmen wir jetzt mal das Beispiel, du wirst jetzt beauftragt, eine Neuinstallation durchzuführen. Dann bist du irgendwann fertig und am Ende muss natürlich dann das Haus und die gesamte Anlage gemessen werden. Dann fängt man in der Regel an, Steckdose für Steckdose durchzuprüfen. Diese Messgeräte sind an sich ja intelligent, aber im Bereich der Software absolut hinten durch die Brust. Das heißt, die Daten werden auf dem Messgerät gespeichert, man kann sich aber keine Struktur bauen. Die Daten müssen also auf dem Rechner übertragen werden. Man hat dann aber vielleicht auch Fotos oder Videos, die man anfügen möchte und das ließ sich alles bislang nicht komfortabel gestalten. Mit ProtocolHero hat man die Möglichkeit, eine Vorlage zu verwenden.
Wir haben letztendlich eine Plattform nach einem Baukastenprinzip gebaut, so dass man sich Protokolle und Dokumente individuell gestalten kann. Das heißt, du hast im Endeffekt auf dem Tablet ProtocolHero. Du kannst dann mit deinem Messgerät zum Beispiel eine Steckdose messen. Dann haben wir uns herstellerunabhängig gemacht, so dass du ein Foto deines Messgeräts schießen kannst und die KI liest letztendlich die Messdaten aus und baut sich darüber die Struktur.
Wir haben ebenfalls kleinere KI-Agents implementiert, so dass, wenn etwas nicht in Ordnung ist – zum Beispiel der Messwert nicht passt –, dann auch sofort analysiert wird und im Endeffekt der Prüfer eine Information erhält. So kann er dann direkt reagieren bzw. prüfen – auch wenn die KI z.B. hier mal falsch lag. Mit der KI hast Du aber eine schnelle zusätzliche Sicherheit, die z.B. auch bei viel komplizierteren Aufträgen gegencheckt, wenn es z.B. in Richtung Zählerschrankerfassung geht.
watts up: Und am Ende segnet das dann der Prüfer ab? Oder eben der Kunde, je nachdem, was erforderlich war?
Steven: Genau, also du kannst natürlich immer digital unterschreiben lassen. Das heißt, wenn wir jetzt den Fall haben, dass beide unterschreiben sollen, dann kann natürlich der Prüfer alles durchgehen. Er unterschreibt das und der Kunde unterschreibt ebenfalls. Daraus kann am Ende auch eine PDF erzeugt werden, obwohl man natürlich eine Videodatei nicht in einer PDF ausgeben kann. Deswegen haben wir uns da etwas mehr an Google ausgerichtet, dass wir das Dokument auch digital mit den Kunden teilen können. Dass bedeutet, der Kunde bekommt dann einfach die digitale Version des Dokuments, kann dort auch Fotos in hoher Auflösung anschauen oder Videos direkt abspielen.
Und bei Bedarf kann er dann natürlich alle Anhänge herunterladen und auch noch on top sich eine PDF erzeugen, wenn er möchte. Aber dann hat er hier die Möglichkeit zu sagen, so ich erzeuge mir die PDF und lade mir dann die Videodatei nochmal zusätzlich runter. So hat er letztendlich die gesamte Quelle auch für sich intern abgespeichert.
watts up: Was ich ja ganz spannend bei ProtocolHero finde, ihr richtet diese Software anhand der wirklichen Anforderungen im Handwerk aus – also daran, was ihr bei euren Aufträgen für Anforderungen habt?
Steven: Das ist, glaube ich, auch der große Unterschied. Wir lösen nicht ein Problem, was wir denken, was andere haben könnten, sondern weil ich selber dieses Problem über viele Jahre gehabt habe. Zum Beispiel unser Produktmanager, der bei ProtocolHero arbeitet, kommt natürlich aus der Softwarebranche. Bei dem habe ich damals relativ am Anfang gesagt, ich schmeiße dir jetzt mein Messgerät um den Hals, bück dich jetzt bitte und dann überleg, wie gut kannst du jetzt noch das Smartphone bedienen. Das ist die Realität, weil wir nun mal nicht im Büro sitzen, sondern du musst die Rückenschmerzen spüren, die wir Handwerker haben, wenn wir wirklich an einem Auftrag arbeiten. Deswegen merkt man schon, dass ich da immer auch das Team sehr stark praxisbezogen abhole und sich auch im Endeffekt der Blickwinkel auch beim Team komplett auf den wirklichen Alltag im Handwerk verändert hat.
Vielen Dank für das Gespräch. Und wir sind gespannt, wie sich bei dir alles weiterentwickelt.
https://pakainvest.com/
www.protocolhero.com

Wenn Du das komplette Interview mit vielen weiteren Themen als Podcast hören möchtest, dann empfehle ich dir Folge #67 der E-Show im Handwerker Radio, dem Schwestermedium von watts up.

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